Fitzgerald Kusz wurde 1944 in Nürnberg geboren und ist der Sohn einer waschechten Fränkin und eines Berliner Opernsängers. Er wuchs in dem kleinen Dorf Forth in der Nähe von Nürnberg auf und studierte in Erlangen Germanistik und Anglistik. Nach einem Jahr als Assistenzlehrer in Nuneaton, Warwickshire, England, arbeitete er zunächst zehn Jahre lang als Lehrer in Nürnberg. Seit 1982 lebt und arbeitet er dort als freischaffender Schriftsteller, ist verheiratet und hat drei Kinder. Kusz ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.
Sein größter Erfolg gelang ihm mit seinem in fränkischer Mundart geschriebenen Theaterstück „Schweig, Bub!“, das am 6. Oktober 1976 am Staatstheater Nürnberg uraufgeführt wurde und dort mittlerweile mehr als 700-mal gespielt wurde. Das Achtpersonenstück ist eine humorvoll-satirische Darstellung einer typischen, kleinbürgerlichen Familienfeier anlässlich einer Konfirmation, bei der die Erwachsenen essen und trinken, tratschen und streiten und der „Bub“ an seinem Ehrentag kaum zu Wort kommt. Dabei besticht „Schweig, Bub!“ durch seinen hohen Wiedererkennungswert der Dialoge, Figuren und Abläufe.
Von dem Stück existieren auch Hörspielfassungen und zahlreiche Übersetzungen in andere deutsche Dialekte, z. B. Berlinerisch, Hessisch, Schwäbisch und Niederdeutsch. Es zählt zu den beliebtesten deutschen Mundartstücken. Mit „Schweig, Bub!“ schrieb der Autor einen Klassiker des modernen Volkstheaters und wird dadurch einem breiten Theaterpublikum im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt.
Weitere Infos zum Autor auch unter www.kusz.de
FITZGERALD KUSZ
ÜBERLEGUNGEN ZU „SCHWEIG, BUB!“ oder Volksstück & Dialekt
Alles begann mit einem Satz, der mir nicht mehr aus dem Kopf wollte: „Du, wou hammer letzthin ä suer Leberknidlersuppm gessn?“(=Du, wo haben wir letzthin so eine Leberknödelsuppe gegegessen?) Eine seltsame Mantra, die den Kern des fränkischen Wesens heraufzubeschwören schien. Ein nicht tot zu kriegender Ohrwurm, gegen den unbedingt etwas unternommen werden musste. „Du, wou hammer letzthin ä suer Leberknidlersuppm gessn?“.
Ich geb´s ja zu: Alles in allem kein sehr gewichtiger Satz, nein, eher ein furchtbar banaler. Ich konnte machen, was ich wollte: Ich brachte diesen Un-Satz nicht mehr aus meinem Kopf. Er war stärker. Unmöglich, ihn in einem meiner Mundartgedichte unterzubringen. Er hätte sofort die Form des Gedichts gesprengt. Gedichte sind zarte Gebilde, die eine Leberknidler-suppm nicht vertragen. Der vermaledaite Satz verlangte nach mehr, schrie nach dem großen Suppenteller eines Theaterstücks. Ein Stück für und über das Volk sollte es werden, ein Volksstück. Brechts Anmerkungen dazu hatte ich als 68er natürlich stets im Hinterkopf. Sein Ruf nach einer Rundumerneuerung des alten verkommenen Genres in seinen Anmerkungen zu seinem Volksstück „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ war immer noch aktuell: „Das Volksstück ist für gewöhnlich krudes und anspruchsloses Theater, und die gelehrte Ästhetik schweigt es tot oder behandelt es herablassend…Da gibt es derbe Späße, gemischt mit Rührseligkeiten, das ist hanebüchene Moral und billige Sexualität. Die Bösen werden bestraft, und die Guten werden geheiratet…Die Technik der Volksstückschreiber ist ziemlich international und ändert sich beinahe nie…Es genügt eine tüchtige Portion der gefürchteten Routiniertheit des Dilettantismus.“
Da saß ich nun mit einem Satz und Brechts Postulat im Nacken. Was ließ sich damit bloß anfangen? „Du, wou hammer letzthin ä suer Leberknidlersuppm gessn?“ Und schon war ich mitten in der Exposition: Auf so eine Frage konnte nur ein Fest folgen, ein fränkisches mit allen Gängen. Eine Konfirmationsfeier bot sich an. Sie lieferte die Struktur, das fünfaktige Gefäß, in das ich das ganze in meinem Kopf gespeicherte Gerede gießen konnte, mit dem mich meine Umwelt ein Leben lang drangsaliert hatte.
„Schweig, Bub!“ war wie ein Befreiungsschlag für mich. Ich befreite mich von der kleinbürgerlichen Enge meiner Nachkriegskindheit mit der ganzen Kraft meines Dialekts und meines Humors. „Humor“, so der größte fränkische Dichter Jean Paul, „ist überwundenes Leiden an der Welt.“ Die Mundart hat außerdem noch einen zusätzlichen Vorteil: Im Dialekt kann man den Leuten Wahrheiten sagen, die man in der Hochsprache nicht sagen kann.
„Schweig, Bub!“ wurde zum größten Publikumsrenner der Nürnberger Theatergeschichte. Es stand 34 Jahre lang mit 730 Vorstellungen bis 2010 auf dem Spielplan.
Vor kurzem bin ich auf einem Aphorismus von Hugo von Hofmannsthal gestoßen, der vielleicht den Erfolg des Stückes erklärt : „Die Tiefe muß man verstecken. Wo? An der Oberfläche.“
„Schweig, Bub!“ wurde in ungefähr dreizehn deutsche Dialekte übersetzt. In den letzten 35 Jahren habe ich das Stück unzählige Male in den verschiedensten Dialekten gesehen. Ich mag es noch immer. Das Stück zündet auch nach 35 Jahren immer noch. Ich kann es nicht fassen.

